„Kumulationseffekt“ bei Bürgschafts-Sicherungsabrede: Die Bürgschaft ist „weg“!

Was war passiert?

Dem Streit liegt ein Bauvertrag zwischen einem Bauträger und seinem Generalunternehmer (AN) auf Grundlage der VOB/B zu Grunde. Der AN muß eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Bruttoauftragssumme stellen. In der Bürgschaft werden auch die Einreden der Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit sowie der Vorausklage abbedungen. Im Zahlungsplan wird zu Lasten des AN geregelt, dass die drittletzte Abschlagszahlung in Höhe von 5 % des Werklohns mit vollständiger Fertigstellung und Übergabe an den Erwerber des Bauträgers fällig wird. Die vorletzte und die letzte Abschlagszahlung (auch iHv. je 5 %) soll erst nach Beseitigung aller Mängel gemäß Abnahmeprotokollen und nach Leistung eines Sicherheitseinbehaltes für die „Gewährleistungsansprüche“ fällig sein.

Die Entscheidung:

Eine Sicherungsabrede kann unwirksam sein, weil mehrere jeweils für sich genommen wirksame Vertragsbestimmungen in ihrer Gesamtwirkung („Kumulationseffekt“) insgesamt zu einer unangemessen Benachteiligung des sicherungsverpflichteten AN führen. Vorliegend war erstens eine Vertragserfüllungsbürgschaft an den Auftragsgeber zu geben. Darüber hinaus aber haben die Parteien einen Zahlungsplan vereinbart, wonach die drei letzten Abschlagszahlungen iHv. 15 % der Vergütung erst nach Fertigstellung und Abnahme durch die Enderwerber des Bauträgers fällig sein sollten. Diese Regelung weicht vom gesetzlichen Leitbild des einschlägigen § 632a BGB ab. Denn dieser legt fest, dass „der Unternehmer von dem Besteller für eine vertragsgemäß erbrachte Leistung eine Abschlagszahlung in der Höhe verlangen kann, in der der Besteller durch die Leistung einen Wertzuwachs erlangt hat“. Diese Vorschrift beabsichtigt eine grundsätzliche Regelung zur Absicherung des vorleistungspflichtigen Unternehmers, den aber der o.g. Zahlungsplan konterkariert. Die Fälligkeit der Abschlagsforderung gemäß o.g. Zahlungsplan liegt darüber hinaus auch außerhalb des Auftragsbereichs des AN– auch dies spricht für eine erhebliche Abweichung vom sogenannten „gesetzlichen Leitbild“ der Norm.

Praxistipp:

Der AN kann die Bürgschaft zurückfordern, da eine wirksame Sicherungsabrede nicht besteht. Denn die o.g. Klauseln dürften bei einer Gesamtschau gegen § 307 BGB verstoßen. Jedem Bauträger ist deshalb zu raten, keine gegen die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien verstoßenden „Eigenkreationen“ in der Sicherungsabrede und im Vertrag zu „basteln“.

Der Bundesgerichtshof bestätigt ferner im Urteil bzgl. des Ausschlusses bestimmter Einreden gemäß Sicherungsabrede die Rechtsprechung des OLG Koblenz und des OLG Düsseldorf (NJW-RR 2015, 317): Die Unwirksamkeit eines Anfechtungs- und Aufrechnungsausschlusses für rechtskräftige oder unstreitige Ansprüche kann zu deren isolierter Unwirksamkeit bei gleichzeitigem Aufrechterhalten der restlichen Sicherungsabrede führen!

Regelwerke für Sicherungsmittel werden gerichtsfest durch anwaltliche Beratung und Formulierung. Sonst drohen, etwa bei Insolvenz des AN, die Pflicht zur Herausgabe der Erfüllungsbürgschaft und damit erhebliche Mehrkosten für die Restfertigstellung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.06.2016, VII ZR 29/13.