Bundesgerichtshof: Keine grenzüberschreitende Wärmedämmung für Neubauten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 2. Juni 2017 entschieden, dass ein Grundstückseigentümer eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand nicht nach § 16a I Nachbarrechtsgesetz (Land Berlin) dulden muss, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.

Was war passiert?

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und der Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das Grundstück des Beklagten ist mit einem Reihenendhaus bebaut, das an der Grenze zum Grundstück der Kläger steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwände der Gebäude decken sich nicht vollständig, vielmehr steht diejenige des Mehrfamilienhauses entlang der Grundstücksgrenze 1,61 m vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des Beklagten hineinragt und unverputzt und nicht gestrichen ist. Nun wollen die Wohnungseigentümer Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 cm anbringen. Die Klägerin nimmt, u.a. gestützt auf § 16a I und III Berliner Nachbarrechtsgesetz den Beklagten auf Duldung dieser Maßnahmen in Anspruch.

Wie entscheidet der Bundesgerichtshof?

Er weist die Klage ab: Die o.g. Duldungspflicht nach § 16a I gelte nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt. Dies ergebe die Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck. Denn der Landesgesetzgeber habe Grundstückseigentümern nicht generell gestatten wollen, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er habe vielmehr das Ziel verfolgt, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern, die bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert wurden, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Nur diesen Fällen sollte die Einführung einer Duldungspflicht begegnen. Demgegenüber habe der Landesgesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten gerade kein Regelungsbedürfnis in § 16a gesehen. Er habe deutlich ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gelte, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden könne. Neubauten seinen weiterhin so zu planen, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befinde! Vorliegend hat der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 trotz der in der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2001 vom 16.11.2001 (BGBl. I. 3085) geltenden Wärmeschutzanforderungen das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Grundstück des Beklagten gebaut. Ohne Zustimmung des Nachbarn sei dies aber nicht zu „heilen“.

BGH, Urteil vom 02.06.2017, Geschäftsnummer V ZR 196/16.