Bundesgerichtshof zum Mietminderungsrecht bei Baulärm

Bundesgerichtshof: Baulärm in der Nachbarschaft ist i.d.R. kein Mietmangel
Seit der so genannten „Bolzplatzentscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.04.2015, VIII ZR 197/14 ist umstritten, ob und inwiefern der Mieter wegen Baulärms von einem Nachbargrundstück die Miete mindern darf. Für den Vermieter ist von essentieller Bedeutung, ob er die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss und sich gleichzeitig aber nicht gegen eine Mietminderung wehren kann.

Zum Sachverhalt:
Etwa 6 Jahre nach Anmietung einer Wohnung wurde auf einem Grundstück, das 40 m entfernt liegt und das seit dem Jahr 1946 unbebaut war, ein Neubau errichtet. Der Mieter zeigte den Lärm an und minderte seine Miete um 10 Prozent. Die Vorinstanzen urteilten uneinheitlich.

Wie entscheidet der Bundesgerichtshof?
Erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen wegen der Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke auf einem Nachbargrundstück stellen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung dar, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Allein die Vorstellung des Mieters über die Freiheit der Wohnung von Baustellenlärm führt zu keiner konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung. Fundstelle: BGH, Urteil vom 29.04.2020, Geschäftsnummer VIII ZR 31/18.
Bei der Prüfung des Vorliegens eines Mietmangel müsse der Soll- Zustand der Wohnung ermittelt werden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Beschaffenheitsvereinbarung, muss dieser Soll-Zustand anhand einer ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden. Denn dem Vermieter könne nicht einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden. Es komme vielmehr darauf an, welche Regelung die Mietvertragsparteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung in Gestalt der erhöhten Lärmbelastung bewusst gewesen wäre. Deshalb begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen nachträglich auftretende Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen zur Mietminderung führenden Mangel, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Der Senat spricht von der "Ausstrahlungswirkung" des § 906 BGB, die bei der Ermittlung des hypothetischen Willens der Vertragsparteien im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen sei.

Praxistipp:
Selbst in Innenstadtlagen, in denen heutzutage regelmäßig mit starker Bautätigkeit, Abriss usw. zu rechnen sein dürfte, schadet eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag nicht. Sie könnte lauten: „Den Parteien ist bewusst, dass sich das Mietobjekt in einem Umfeld befindet, das einem stetigen Wandel durch rege Bautätigkeit unterworfen ist. Sie sind einig, dass Umweltmängel wie Bautätigkeit öffentlicher und privater Vorhabenträger keine vertraglichen Ansprüche des Mieters auf Minderung begründen“. Wir empfehlen Ihnen eine rechtliche Beratung im Einzelfall!