OLG Frankfurt/Main zur Ausübung eines Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzgeschäft: treuwidrig wegen besonderer Umstände?

Was war geschehen?
Der Auftraggeber, handelnd als Verbraucher (nachfolgend: AG), beauftragte den Architekten (nachfolgend: A) im Juni 2022 per email mit der Erstellung einer Ausführungsplanung und der Überarbeitung einer bereits vorliegenden Genehmigungsplanung. Das Angebot des AN vom selben Tage folgt ebenfalls per email. Es enthielt nicht die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das Recht des AG, seine Vertragserklärung binnen einer bestimmten Frist widerrufen zu dürfen (§§ 312c, 312g I BGB). Der Vertrag wird geschlossen. Der AG widerruft ihn mit email aus November 2022. Anschliessend verklagt er den A auf Rückzahlung geleisteter Abschlagszahlungen und beruft sich auf den wirksamen Widerruf seiner Vertragserklärung.

Wie urteilt das Oberlandesgericht (OLG)?
Es bestätigt das Urteil des LG Frankfurt (abgedruckt in Immobilien- und Baurecht, IBR 2024, Seite 129). Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handele es sich um einen Fernabsatzvertrag gem. § 312 c BGB. Der A hält dem AG zwar entgegen, jener sei als Rechtsanwalt besonders rechtserfahren, jener habe von Beginn an gewusst, dass die Auftragserteilung per email zu einem Widerrufsrecht führe und habe die fehlende Belehrung provoziert und danach ausgenutzt. Das OLG urteilt jedoch, die Ausübung des Widerrufsrechts sei dem AG nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung verwehrt. Denn die der Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinie dienenden Gesetzesregelungen zum Verbraucher- Widerrufsrecht sähen keine Einzelfallbetrachtung etwaigen Wissens des Verbrauchers vor. Die Richtlinie solle die Rechtssicherheit für Verbraucher wie auch für Unternehmer erheblich erhöhen. Zudem sei es notwendig, dass die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verletzungen der Belehrungspflichten jedem gegenüber vorsähen und für deren Durchsetzung sorgten. Insoweit habe der EuGH ausserdem entschieden, dass bei einem auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur Widerrufsbelehrung beruhenden Widerruf auch kein Wertersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht komme. Es sei daher folgerichtig, eine etwaige Korrektur dieser Grundsätze über § 242 BGB nur in sehr engen Grenzen zuzulassen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der AG hier systematisch und in betrügerischer Absicht von vorneherein Leistungen ohne Vergütungspflicht erschleichen wollte. Ausserdem genüge allein die Verwertung der Leistung etwa im Zusammenhang mit der Erlangung der Baugenehmigung nicht für die Begründung eines Vertrauenstatbestandes des A als Aufragnehmers.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2024, 21 U 49/23

Praxistipp
Das Gericht betont, wie schwierig es angesichts der europarechtlichen Vorgaben zum Schutz der schutzbedürftigen, unmündigen Verbraucher ist, Ausnahmen zuzulassen. Der „Verbraucherwiderruf“ führt sehenden Auges zu wirtschaftlichen Härten für Auftragnehmer. Andererseits ist die Belehrungspflicht auch kein Geheimnis! Man kann Auftragnehmern nur raten, ihren Pflichten sehr penibel nachzukommen und lieber einmal zu viel als einmal zu wenig aufzuklären- auch bei im Zuge von bereits erteilten Aufträgen nachträglich hinzukommenden Kleinaufträgen! Unwissenheit schützt nämlich nicht vor Schaden.