Bundesgerichtshof (BGH) zur Frage der Zulässigkeit einer auf die Insolvenz des Unternehmers gestützten Kündigung des Bauvertrags

Besprechung des Urteils des BGH vom 27.10.2022 (IX ZR 213/21)

Eine Lösungsklausel in einem Werkvertrag, die dem Besteller aus Anlass des Insolvenzantrags oder der Insolvenzeröffnung eine Kündigung aus wichtigem Grund ermöglicht, ist nach § 119 InsO unwirksam, wenn bei objektiver Betrachtung eine Umgehung der zwingenden Regelung des § 103 InsO vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der insolvenzabhängige Umstand für sich allein die Lösung vom Vertrag ermöglicht und die Lösungsklausel in Voraussetzungen oder Rechtsfolgen von gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten abweicht, ohne dass für diese Abweichungen bei objektiver Betrachtung ex ante zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf der Grundlage der wechselseitigen Interessen der Parteien berechtigte Gründe bestehen.

Was war geschehen?
Ein Werkvertrag enthält eine Klausel, die dem Besteller für den Fall eines Insolvenzantrags oder der Insolvenzeröffnung eine Kündigung aus wichtigem Grund ermöglicht. Weitere Bedingungen für die Kündigungsmöglichkeit nennt der Vertrag nicht. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Klausel. Diese Frage war bisher umstritten. Zu ihr sind von unterschiedlichen Senaten des BGH Entscheidungen ergangen: Urteile des IX. Zivilsenats ("Insolvenzsenat"), nämlich IX ZR 169/11- Energielieferungsvertrag; und IX ZR 261/15- Werklieferungsvertrag- sowie Urteil des VII. Zivilsenats ("Bausenat"), VII ZR 56/15- Bauvertrag-.
Der IX. Zivilsenat äußert sich in einem Grundsatzurteil zu dieser Frage. Er argumentiert: Das Gesetz enthalte keine ausreichende Grundlage dafür, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln stets unwirksam seien. Insbesondere den §§ 103, 119 InsO lasse sich keine Grundregel entnehmen, dass derartige Klauseln immer unwirksam seien, wenn sie nicht ausnahmsweise einer gesetzlich ohnehin bestimmten Lösungsmöglichkeit entsprechen. Es sei eine besondere Rechtfertigung möglich, die den Grundsatz der Vertragsfreiheit berücksichtigen muss. Maßgebliche Kriterien der Wirksamkeitsprüfung seien:

  1. Unwirksam sind Lösungsklauseln, wenn sie die in einzelnen Normen enthaltenen, ausdrücklich auch die Zeit vor Insolvenzeröffnung erfassenden Regelungen (z. B. § 112 InsO) umgehen.
  2. Lösungsklauseln zu Gunsten eines Geldleistungsgläubigers sind regelmäßig unwirksam, soweit sie den gesetzlichen Rahmen überschreiten. Der Geldleistungsgläubiger ist durch § 320 BGB und - sofern er vorleistungspflichtig ist - § 321 BGB geschützt.
  3. Wirksam sind Lösungsklauseln, durch die die Vertragsparteien nach der Interessenlage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine insolvenzrechtlich gerechtfertigte Zielsetzung verfolgen.
  4. Schließlich sind Lösungsklauseln bei denjenigen Vertragstypen wirksam, für die das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt und die vertragliche Ausgestaltung der wichtigen Gründe durch eine typisierte Interessenbewertung für die darin geregelten Fälle gerechtfertigt ist.

Praxistipp
In Bauverträgen bedarf es einer exakten Formulierung aller Gründe für eine außerordentliche Kündigung. Das Kündigungsrecht für die Fälle des Insolvenzantrags oder der Insolvenzeröffnung macht dabei selbstverständlich keine Ausnahme. Es ist indes ganz besonders praxisrelevant, weil es dem kündigenden Vertragspartner eine schnelle Loslösung und Suche nach einem Nachfolger auf Unternehmerseite ermöglichen soll- und hierbei sind Schnelligkeit und Rechtssicherheit extrem wichtig, um die Mehrkosten in Grenzen zu halten! Wir beraten Sie bei der Vertragsgestaltung.