Gewerbemietrecht: Ab wann besteht im Fall öffentlich-rechtlicher Beschränkungen ein Minderungsrecht? Besprechung des Urteils des Kammergerichts vom 16.03.2023 – 8 U 76/21

Gewerbemietrecht: Ab wann besteht im Fall öffentlich-rechtlicher Beschränkungen ein Minderungsrecht? Besprechung des Urteils des Kammergerichts vom 16.03.2023 – 8 U 76/21

Was war passiert?
Die Parteien des Rechtsstreits sind verbunden durch einen Gewerberaummietvertrag. Nutzungszweck: Ladennutzung, Büroraum, Lagerraum und WC. Die (teilweise) Nutzung als Büro erwies sich aber wegen der geringen Raumhöhe als baurechtlich unzulässig und war nach Auffassung der Baubehörde auch nicht genehmigungsfähig. Sie versandte ein Anhörungsschreiben, mit dem es auf die unzulässige Nutzung hinwies. Der Mieter nimmt dies zum Anlass für eine Minderung der Miete wegen „eingeschränkter Nutzbarkeit“.

Wie entscheidet das Kammergericht?
Das Kammergericht ist das für das Land Berlin zuständige Oberlandesgericht, das über Berufungen gegen landgerichtliche Urteile entscheidet.
Das Minderungsrecht wurde dem Mieter nur teilweise zugesprochen. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstünden, stellten grundsätzlich einen Sachmangel gem. § 536 BGB dar, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache in Zusammenhang stünden und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache hätten. Werden Mieträume zu einem konkreten Betriebszweck überlassen, müssen sich deshalb die Räume in einem Zustand befinden, der die Aufnahme des Betriebs und dessen Aufrechterhaltung in rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt zulasse. Der Vermieter schulde nämlich gemäß § 535 I 2 BGB die Überlassung in einem genehmigungsfähigen Zustand. Allerdings gelte auch, dass öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen der Räume zur Minderung nicht berechtigten, wenn der Mieter in seinem vertragsgemäßen Gebrauch mangels Einschreitens der zuständigen Behörde nicht tatsächlich eingeschränkt sei. Dieses Einschreiten sah das Gericht bereits in dem baubehördlichen Anhörungsschreiben. Erst ab diesem Zeitpunkt stehe dem Mieter ein Minderungsrecht zu. Diese Frage wird unterschiedlich beurteilt. Weit überwiegend erkennen die Oberlandesgerichte erst in einer behördlichen Nutzungsuntersagung (nächste Stufe des Einschreitens nach einer vorherigen Anhörung im Verwaltungsverfahren) das „Einschreiten“ das zur Minderung berechtige (Nachweise bei Neuhaus, Handbuch Geschäftsraummiete, 8. Aufl. 2023, Kapitel 20 Rn. 143) .

Praxistipp
Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen spielen im Gewerberaummietrecht eine bedeutende Rolle. Nicht selten sind bei Vertragsschluss oder jedenfalls bei Vertragsanbahnung noch nicht alle öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte gewerbliche Nutzung gegeben. Die Parteien vertrauen manchmal darauf, dass diese Voraussetzungen geschaffen werden können und erforderliche Genehmigungen erteilt werden. Dem ist aber oft nicht so und es stehen dann - wie hier- Minderungsrechte des Mieters im Raum oder es wird wie z. B. bei einer Nutzungsuntersagung dem gesamten Mietvertrag die Grundlage entzogen. Dann muss abgegrenzt werden, in wessen Verantwortungssphäre die Schaffung der öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen fällt. Dies ist regelmäßig der Vermieter, da ihm die Gebrauchsüberlassung zum vertraglichen vereinbarten Zweck obliegt. Einzelne öffentlich-rechtliche Pflichten wie z. B. Genehmigungserfordernisse können aber auch mietvertraglich auf den Mieter abgewälzt werden. Auch aufschiebende Bedingungen im Vertrag halfen, dem Fall einer zwar erwarteten, aber später versagten Nutzungsgenehmigung zum Vertragszweck rechtswirksam zu begegnen.