Bundesgerichtshof (BGH) zur praktischen Umsetzung der Renovierungspflicht des Vermieters bei unwirksamer Überwälzung von Schönheitsreparaturen

Was war geschehen?
Der Mieter hatte vor über 25 Jahren eine unrenovierte Wohnung angemietet und im Vertrag bestätigt, die Wohnung besichtigt und so übernommen zu haben, wie sie steht und liegt. Im Mietvertrag hieß es: "Schönheitsreparaturen trägt der Mieter." Der Mieter verlangte vom Vermieter im Jahr 2015, bestimmte Malerarbeiten in der Wohnung vorzunehmen. Er vertrat die Auffassung, aufgrund der unrenovierten Übernahme nicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein. Dies habe der Vermieter auf eigene Kosten in vollem Umfang zu erledigen.

Wie urteilt der BGH?
Die Vorinstanzen hatten den Vermieter noch antragsgemäß verurteilt. Der BGH sieht die Angelegenheit differenzierter:
Ist die Abwälzung der Schönheitsreparaturen unwirksam, gilt die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters. Hierzu zählen auch die Schönheitsreparaturen. Ist die Wohnung unrenoviert übergeben worden, muss der Mieter sich wegen der im Fall einer durch den Vermieter vorzunehmenden Renovierung logischerweise eintretenden Verbesserung an den Kosten beteiligen. Das ist konsequent:

Die Überwälzung der Pflicht, Schönheitsreparaturen wie die im Streit stehenden Malerarbeiten durchzuführen, ist grundsätzlich nur bei Übergabe einer renovierten Mietsache möglich. Auf Ausnahmen von diesem Grundsatz gehen wir an dieser Stelle nicht ein. In der Konsequenz bedeutet dies allerdings: Der Mieter hat seinerzeit eine unrenovierte Wohnung als vertragsgerecht angemietet. Infolge der Unwirksamkeit der o.g. Klausel kann er vom Vermieter die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen. Tut er dies, erhält er, oft Jahre und Jahrzehnte nach Übernahme einer aus seiner Sicht vertragsgerechten unrenovierten Wohnung, auf Kosten des Vermieters eine Verbesserung. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung erscheint empfindlich gestört. Dem trägt der BGH Rechnung:

Nach dem Gesetz müsse der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und während der Mietzeit diesen Zustand aufrecht erhalten. Dazu gehöre es, eine nach der Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen. Diese Pflichten lebten aufgrund der Unwirksamkeit der o.g. Klausel auf. Der vom Vermieter nun aufrechtzuhaltende Zustand der Mietsache ergebe sich aus deren Zustand bei Übergabe im Zeitpunkt des Mietbeginns. Zu Ende gedacht würde dies allerdings bedeuten, dass er den in diesem Zeitpunkt vorhandenen (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustand schuldet. Dies sei nicht gewollt, nicht praktikabel und wirtschaftlich nicht sinnvoll. Der BGH löst die paradoxe Situation, indem er für diese Fälle allein solche Arbeiten als sach- und interessengerecht definiert, die zu einem (frisch) renovierten Zustand der Wohnung führen, verbunden mit dem geradezu salomonischen Hinweis auf eine angemessene Kostenverteilung unter beiden Parteien nach den Grundsätzen von Treu und Glauben.
Die im Einzelfall angemessene Kostenbeteiligung darf der Tatrichter nach § 287 II ZPO ermitteln; in der Regel soll eine hälftige Kostenbeteiligung sachgerecht sein. Mietdauer, Zustand der Mietsache bei Mietbeginn (sofern nach Jahrzehnten überhaupt noch ermittelbar), Intensität der Nutzung und deren Einfluß auf den Renovierungsbedarf (Raucher, Tierhalter, ...) sowie weitere Umstände des Einzelfalls spielen eine Rolle. Der Vermieter kann diesen Anspruch auf Kostenbeteiligung dem Begehren des Mieters auf Vornahme von Schönheitsreparaturen im Wege eines Zurückbehaltungsrechts entgegenhalten. BGH, Urteil vom 08.07.2020, Az. VIII ZR 270/18.

Praxistipp
Es bedarf keiner großen Fantasie um zu erkennen, dass dieses Urteil viele Mieter davon abhalten wird, mit Hinweis auf unwirksame Klauseln der o.g. Art im laufenden Mietverhältnis professionelle Renovierungsarbeiten zu fordern- schon, weil er sich i.dR. hälftig beteiligen muß. Und wie wird ein Mieter wohl reagieren, wenn der Vermieter auf dessen Aufforderung hin anbietet, selbst zu malern und bei dieser Gelegenheit am Privatleben des Mieters teilzunehmen gedenkt? Der Mieter muß dies dulden, § 555a BGB!

Denkbar ist ferner, dass der Mieter die Renovierung fordert, nach Ablauf seiner Frist selbst zur Tat schreitet und die Hälfte der Kosten seiner Eigenleistungen incl. Material als Verzugsschaden einklagt. Streit über die Kostenquote ist vorprogrammiert...