Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Frage der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs: Schluss mit fiktiven Mängelbeseitigungskosten

Was war passiert?
Der Bauherr (B) beauftragt ein Fachunternehmen (F), Natursteinplatten zu verlegen. Die VOB/B wird Vertragsgegenstand. Nach Abnahme treten Mängel auf. Der B fordert deshalb von F Vorschuss für die Mängelbeseitigung im fünfstelligen Bereich. Ein Mitverschulden seines Planers (P) berücksichtigt der B dabei mit einem Anteil von 25 %. Während des Berufungsverfahrens verkauft B das Bauwerk und stellt die Klage auf Schadensersatz in gleicher Höhe um. Bedeutsames Detail des Rechtsstreits: B führt trotz Umstellung des Klageantrags keine Mangelbeseitigung durch!

Die Entscheidung des BGH:
Das Gericht spricht B einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B und im Übrigen aus § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu. Aber: Die von B zugrunde gelegte Schadensberechnung ist falsch. Denn der BGH ändert seine jahrzehntelangen Rechtsprechung (zB. Urteil vom 28.06.2007, VII ZR 8/06). Der Auftraggeber dürfe seinen Anspruch nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnen, solange er den Mangel nicht beseitige, weil das Vermögen des B im Vergleich zu einer mangelfreien Leistung des F nicht um einen Betrag in Höhe solcher (fiktiven) Aufwendungen vermindert sei. Erst wenn B den Mangel beseitigt und die Kosten hierfür gezahlt hat, realisiert sich tatsächlich ein Vermögensschaden in Höhe dieser Kosten. Bis dahin sei B verpflichtet, in seiner Klagebegründung den Schaden anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des B stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel, die sich auch aus einem Mindererlös im Verkaufsfall ableiten lasse, zu ermitteln. Zu seiner Erleichterung könne er eine Schadensschätzung gem. § 287 ZPO vornehmen, und dabei sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich.

BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/17.

Die Konsequenzen für die Praxis:
… sind vielfältig. Als ein Beispiel mag dienen, dass der Auftraggeber, sei er Bauherr oder beispielsweise Generalunternehmer, gegenüber seinem Auftragnehmer (Subunternehmer) nun nicht mehr wie früher vorgehen kann, wenn er nicht Vorschuss, sondern Schadensersatz einfordert. Die Zahl auf Vorschuss gerichteter Klagen dürfte steigen.

Es kann ein großer Unterschied zwischen den fiktiven Mangelbeseitigungskosten und den tatsächlichen Mangelbeseitigungskosten bestehen. Damit ist aber nicht gesagt, dass die tatsächlichen Mangelbeseitigungskosten immer unter den fiktiven liegen müssen. Der Auftraggeber wird sich nun überlegen müssen, ob er nicht schnellstmöglich nach Ablauf von Beseitigungsfristen zur Nachbesserung schreitet. Denn Nachbesserungskosten werden, wenn man zuwartet, eher steigen. Andererseits ist mit dieser Vorgehensweise der Nachteil verbunden, für die Kosten in Vorlage treten zu müssen.