Ist ein individualvertraglicher Kündigungsausschluss im Wohnraummietrecht zulässig?

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Mai 2018: Die individuelle Vereinbarung eines dauerhaften Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ist grundsätzlich möglich (BGH vom 08.05.2018, Az.: VIII ZR 200/17).

Die Frage, ob und in welcher Ausgestaltung ein Kündigungsverzicht statt des zwischenzeitlich vom Gesetzgeber abgeschafften Zeitmietvertrages vereinbart werden kann, sorgt regelmäßig für Streit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sollen folgende vier Differenzierungsmerkmale gelten:

Handelt es sich um eine formularvertraglich oder individualvertraglich vereinbarte Kündigungsausschlussvereinbarung? Der BGH unterscheidet ferner zwischen Ausschlussvereinbarungen, die nur den Mieter oder beide Parteien betreffen. Schließlich differenziert er noch nach der Dauer des Ausschlusses und nach der Verbindung der Vereinbarung mit einer Staffelmiete. In dem vorliegenden Rechtsstreit ging es nur um die Frage, ob die Parteien sich individualvertraglich geeinigt hatten.

Was war passiert?

Die Beklagten hatten im Jahr 2013 vom Rechtsvorgänger des nun auf Räumung und Herausgabe klagenden Vermieters eine Wohnung mittels eines von ihnen auf Wunsch des Vorvermieters mitgebrachten Formularvertrags von Haus & Grund angemietet. Das Formular enthielt einen vorformulierten Verzicht auf eine ordentliche Kündigung; die Textlücke, in die das Datum gehörte, bis wann er gelten sollte, war allerdings nicht ausgefüllt. Daneben enthielt der Vertrag eine Zusatzvereinbarung, dass anstatt des Vermieters die Mieter selbst für den Heizöleinkauf, die Heizungswartung, die Emissionsmessung und den Schornsteinfeger verantwortlich seien, sie sollten die Hälfte der insoweit entstehenden Kosten tragen.

Wie entscheidet der Bundesgerichtshof?

Die Räumungsklage hat keinen Erfolg. Zunächst einmal entscheidet der Senat, dass der Vermieter Verwender des Formularvertrags ist, der deshalb der Inhaltskontrolle unterliegt. Ein "Stellen" von AGB i.S.d. § 305 I 1 BGB liegt vor, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei, hier: des Vorvermieters in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt wird. Nur weil der Mieter den Vertrag besorgt hat, wird er nicht Verwender.

Das Landgericht (Vorinstanz) hat außerdem den Vortrag der Mieter, der dauerhafte Kündigungsverzicht und die Zusatzvereinbarung seien zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden, unter Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör unberücksichtigt gelassen. Die Übernahme zusätzlicher Lasten als Gegenleistung für den Kündigungsverzicht könne, so der BGH, durchaus für eine Individualvereinbarung sprechen. Diese könne auch zeitlich unbeschränkt das Kündigungsrecht ausschließen. Das ist bemerkenswert, weil der Senat bislang nur die Wirksamkeit eines individualvertraglich ausgehandelten Kündigungsverzicht von 13 Jahren bestätigt hatte, nicht aber einen zeitlich unbegrenzten.

Praxistipp:

Auf Grundlage des Beschlusses des BGH kann ein zeitlich unbegrenzter Kündigungsverzicht wirksam sein. Es ist deshalb bei der Vertragsgestaltung höchste Vorsicht geboten. Dies gilt für beide Vertragsparteien, wenn auch in der Praxis die Auswirkungen für einen Vermieter größer sein dürften. Die klassische Kündigung wegen Eigenbedarfs unterfällt einem solchen Kündigungsausschluss!