Keine Kündigung des Vermieters wegen Eigennutzung zu (frei-)beruflichen oder gewerblichen Zwecken

Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Vermieter die Wohnräume zu gewerblichen Zwecken benötigt. Dies hat der unter anderem für Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit aktuellem Urteil vom 29.03.2017 – VIII ZR 45/16 – entschieden.

Was war geschehen?
Die Klägerin hatte die von dem Beklagten seit dem Jahre 1977 bewohnte Wohnung im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben und gegenüber dem Beklagten als neue Vermieterin das Mietverhältnis gekündigt. Zur Begründung führte die Klägerin das von ihrem Ehemann im selben Hause betriebene Beratungsunternehmen an, dessen räumliche Kapazität ausgeschöpft sei. Da die als Beratungsräume genutzten Büroräume mit bis an die Decke reichenden Aktenregalen überfüllt seien, sei beabsichtigt, in der Wohnung des Beklagten einen weiteren Arbeitsplatz samt Archiv einzurichten.

Die Vorinstanzen wiesen die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage ab, da zwar ein Kündigungsgrund vorliege, jedoch eine gesetzlich nicht zulässige Zweckentfremdung von Wohnraum vorliege. Der BGH hat die Entscheidungen vom Ergebnis her bestätigt, aber auch das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint.

Die Entscheidung:
In dem geltend gemachten Berufs- und Geschäftsbedarf liege nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kein typischerweise anzuerkennendes Vermieterinteresse, welches ergänzend zu den in § 573 Abs. 2 BGB geregelten Fallgruppen heranzuziehen sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber für die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen bereits geregelt, unter welchen Umständen der Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters hat. Wenn der Vermieter die Wohnung aber nicht zu eigenen Wohnzwecken benötigt, sondern sie einer gewerblichen Nutzung zuführen will, ist weder der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, noch der einer wirtschaftlichen Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfüllt. Der hier vorliegende Fall liege vielmehr zwischen diesen Fallgruppen.

Somit sei gemäß § 573 Abs. 1 BGB im Einzelfall festzustellen, ob ein berechtigtes Vermieterinteresse an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht. Soll der Mieter wie vorliegend allein aus geschäftlichen Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden, so müsse der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, was anzunehmen sei, wenn die geschäftliche Tätigkeit anders nicht rentabel durchführbar ist. Mit solch erheblichen wirtschaftlichen Einbußen sei jedoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht allein durch die Auslagerung älterer Aktenbestände zu rechnen.