Neues Bauvertragsrecht: Die so genannte „Zustandsfeststellung“ am Bau

Der neue § 650g II BGB regelt erstmals, wie der Unternehmer bei vom Besteller verweigerter Zustandsfeststellung handeln muss. Eine solche Zustandsfeststellung ist sehr praxisrelevant, beispielsweise im Fall der Kündigung des Bauvertrags vor vollständiger Erbringung der Werkleistung oder wenn der Besteller die Abnahme verweigert. Die Vorschrift lautet:

(2) Bleibt der Besteller einem vereinbarten oder einem vom Unternehmer innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Zustandsfeststellung fern, so kann der Unternehmer die Zustandsfeststellung auch einseitig vornehmen. Dies gilt nicht, wenn der Besteller infolge eines Umstands fernbleibt, den er nicht zu vertreten hat und den er dem Unternehmer unverzüglich mitgeteilt hat. Der Unternehmer hat die einseitige Zustandsfeststellung mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu versehen und sie zu unterschreiben sowie dem Besteller eine Abschrift der einseitigen Zustandsfeststellung zur Verfügung zu stellen.

  1. Verweigert z.B. der Besteller die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels, können die Parteien des Bauvertrags einen Termin zur Zustandsfeststellung vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, darf der Unternehmer innerhalb einer angemessenen Frist alleine einen Termin zur Zustandsfeststellung bestimmen. Eine Frist von fünf bis sechs Werktagen dürfte in den meisten Fällen ausreichend sein, grundsätzlich sind aber die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

  2. Oft genug streiten die Parteien darüber, ob eine Nichtteilnahme verschuldet oder unverschuldet war. Dem trägt das Gesetz in § 650g II Satz 2 BGB Rechnung: Der Besteller hat alles ihm billigerweise Zumutbare zu veranlassen, um an dem Termin teilzunehmen und muss dafür geeignete Vorkehrungen treffen; nur wenn er nicht erscheint, darf der Unternehmer die Zustandsfeststellung einseitig vornehmen. Ausnahme: der Besteller hat seine Abwesenheit nicht zu vertreten und hat dies dem Unternehmer unverzüglich und noch vor dem Termin zur Zustandsfeststellung mitgeteilt. Der Besteller muss im Streitfall darlegen und beweisen, dass er sein Fernbleiben nicht zu vertreten hat!

  3. § 650g II BGB schweigt darüber, welche Angaben der Unternehmer in die einseitige Zustandsfeststellung aufnehmen muss. § 650G I BGB nennt nur den „Tag der Anfertigung“; deshalb müssen mindestens möglichst detaillierte Angaben zu Mengen/ Massen, dem Leistungsstand allgemein, zur Abgrenzung zu angrenzenden (Fremd-) Gewerken, ggf. zu zurückgelassenem, unverbautem Material enthalten und alle Daten mit anwesenden Zeugen und Digitalfotos dokumentiert sein.

  4. Löst die Neuregelung alle altbekannten Probleme? Das ist nicht der Fall. § 650g II BGB birgt im Gegenteil auch Konfliktpotential: Es ist Streit darüber denkbar, ob der Unternehmer eine angemessene Frist zur Zustandsfeststellung gesetzt hat und diese zugegangen ist... und nicht jeder Besteller wird den Vorwurf, sein Fehlen sei verschuldet oder er habe nicht rechtzeitig informiert, unwidersprochen lassen. Geht man zeitlich einen Schritt zurück, nämlich auf einen ggf. vorangehenden Streit über die Details einer gemeinsamen Zustandsfeststellung- wie in der Praxis nicht selten- offenbart sich ebenfalls ein neues Problem: Darf der Unternehmer eine einseitige Zustandsfeststellung vornehmen, wenn die Parteien zwar eine gemeinsame treffen wollten, sich aber nicht auf den festzustellenden Zustand einigen können und der Besteller seine Unterschrift unter das Protokoll der geplatzten Zustandsfeststellung verweigert? Die Gesetzesbegründung erlaubt dann gerade keine einseitige Zustandsfeststellung. Namhafte baurechtliche Literatur will hingegen § 650g II BGB dann entsprechend anwenden; dies ist sehr sinnvoll, weil § 650g II ansonsten in diesem klassischen, oft auftretenden Konfliktfall „ins Leere liefe“. Gerichtsurteile hierzu gibt es bisher natürlich nicht. Deshalb empfehlen wir angesichts der hohen Bedeutung korrekter Feststellungen für die Abrechnung, die Vorgehensweise rechtlich prüfen zu lassen.