Neues zum Sicherheitsverlangen des Handwerkers- ein scharfes, manchmal auch taktisch eingesetztes Druckmittel, das der Auftraggeber immer ernst nehmen muß!

Das Verlangen des Auftragnehmers im Werkvertrag, ihm gemäß § 650f BGB Sicherheit zu leisten, kann viele Gründe haben. Ernst nehmen muss der Auftraggeber die Aufforderung ausnahmslos immer! In aktuellen Beschlüssen des OLG Köln und des Bundesgerichtshofs (BGH) werden einige in diesem Zusammenhang auftretende Streitfragen (erneut) zugunsten des Auftragnehmers entschieden. Beide Gerichte bekräftigen, dass das Sicherheitsverlangen unter anderen auch dann wirksam ist und im Fall des Ablaufs einer angemessenen Frist zum Kündigungsrecht des Auftragnehmers führt, wenn

Im Einzelnen tenorieren das OLG Köln (Beschluss vom 08.03.2023, 17 U 70/22 sowie der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 24.04.2024, VII ZR 110/23, Nichtzu-lassungsbeschwerde zurückgewiesen):

1. Der Unternehmer kann eine Bauhandwerkersicherheit unabhängig davon verlangen, ob Ansprüche auf Vergütung oder Abschlagszahlung fällig sind.
2. Das Sicherungsverlangen ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Dass mit dem Sicherungsverlangen nicht zugleich die Kostenübernahme angeboten wird, ist ebenso unschädlich wie der Umstand, dass die Art der Sicherheit offengelassen wird.
3. Ein überhöhtes Sicherheitsverlangen begründet nicht dessen Unwirksamkeit. Vielmehr ist es dann grundsätzlich am Besteller, eine angemessene Sicherheit zu leisten.
4. Das Verlangen einer Bauhandwerkersicherheit ist nicht wegen Übersicherung unwirksam, wenn der Unternehmer zuvor im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek erwirkt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hypothek vollwertig ist.
5. Im Regelfall ist eine Frist zur Sicherheitsleistung von sieben bis zehn Kalendertagen als angemessen anzusehen. Eine unangemessen kurze Fristsetzung führt nicht zur Unwirksamkeit des Sicherungsverlangens, sondern setzt eine an-gemessene Frist in Gang.
6. Verhandlungen über die Art und Höhe einer zu leistenden Sicherheit oder alternativ zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung führen weder zur Hemmung der gesetzten Frist noch begründen sie eine Pflicht, die Verhandlungen eindeutig abzubrechen und eine neue Frist zu setzen. Der Unternehmer muss weder ankündigen noch androhen, ob er von seinen Rechten im Falle einer Nichtleistung der Sicherheit Gebrauch macht.
7. Eine weitere Fristsetzung ist auch dann nicht erforderlich, wenn der Unternehmer zunächst die weitere Leistungserbringung verweigert. Er ist ohne weitere Fristsetzung berechtigt, anschließend die Kündigung auszusprechen.
8. Die eigene Vertragstreue ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für das Recht auf Bauhandwerkersicherheit.
9. Es stellt keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen.


Praxistipp:

Das bedeutet: Sogar dann, wenn die Motivation des Auftragnehmers alleine ist, einen missliebigen, beispielsweise schlecht kalkulierten Vertrag durch ausserordentliche Kündigung „loszuwerden“, kann er die Sicherheit verlangen und nach Ablauf einer angemessenen Frist von 7-10 Kalendertagen in der Regel sofort kündigen. Die hieraus folgende Vergütungspflicht ist im Gesetz geregelt und für den Auftraggeber sehr unangenehm.

Nicht selten wenden Auftragnehmer in diesem Zusammenhang den „Kniff“ an, ein zu hohes Sicherheitsverlangen zu stellen. Das Kalkül dahinter: In einem solchen Fall nimmt der Auftraggeber das Verlangen gar nicht ernst. Dieser muss die korrekte Sicherheit dann aber selbst berechnen und in dieser Höhe leisten!

Die kurze Frist, die das Oberlandesgericht für angemessen erachtet, ist in der Praxis kaum zu halten, und zwar unabhängig von der Höhe des Sicherungsverlangens. Trotzdem wird man diese Rechtsprechung ernst nehmen müssen und alles tun, um die Frist zu halten.

Oft schließen sich dieser Problematik Verhandlungen der Parteien über eine Verlängerung der Frist an, gegebenenfalls auch Verhandlungen über weitere Zahlungen auf offene Akontoforderungen usw. Der Beschlusstenor zu Ziffern 6 und 7 verdeutlicht: Der Auftraggeber kann sich nicht darauf verlassen, dass diese Verhandlungen ihm im Fall des Scheiterns irgendwie helfen. Eine einmal abgelaufene Frist bedeutet für ihn, dass er sofort Sicherheit leisten muss, will er nicht die Kündigung riskieren.

Alle weiteren Argumente des Gerichts gegen die o.g. Einwendungen des Auftraggebers ggü. dem Sicherungsverlangen sind selbsterklärend.