Schimmelbelastung im Neubau: ab 10.000 KBE/g liegt ein Mangel der Werkleistung vor. Zum Einfluß des „Schimmel-Leitfadens“ des Umweltbundesamts

Urteil des OLG München vom 30.01.2018 - 28 U 105/17 Bau; BGH, Beschluss vom 21.10.2020 - VII ZR 58/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Was war passiert?
In einem Neubau tritt Schimmel auf. Der Bauherr (B) fordert den verantwortlichen Unternehmer (U) auf , Mängelbeseitigungsarbeiten an dem noch nicht abgenommenen Bauvorhaben zu erledigen, U lehnt dies ab: Die Parteien streiten, ob die Sanierungsarbeiten in allen Räumen des Gebäudes durchgeführt werden müssen, so der B, oder ob eine auf einzelne Räume beschränkte Sanierung ausreicht, wie U meint. B kündigt daraufhin den Werkvertrag. Im nachfolgenden Klageverfahren vertritt B die Ansicht, eine Konzentration von 10.000 KBE/g („koloniebildende Einheiten“ je Gramm) liege vor und damit sei ein Werkmangel bewiesen. Man streitet ferner über den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung.

Wie entscheiden das OLG und der BGH?
"Bis zur Abnahme einer Werkleistung der trägt U als Auftragnehmer die Beweislast dafür, dass seine Leistung mangelfrei ist". So weit, so allgemein bekannt. Was macht die Entscheidung aber so bedeutsam?

Im Jahr 2017 hat das Umweltbundesamt seinen „Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelpilz“ veröffentlicht, vgl. hier. Das OLG München stellt mit Hinweis auf den Leitfaden und auf eine sachverständige Begutachtung als erstes Obergericht fest, dass eine Schimmelpilzkonzentration von 10.000 KBE/g in einem Neubau einen Baumangel darstellt. Der Wert sei ein "Grenzwert", dessen Überschreitung dem U doppelt zum Nachteil gereiche. Denn die mit dieser Schimmelkonzentration verbundenen Gesundheitsgefahren schneiden dem U ferner den Einwand der „Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung“ gem. § 635 IIII BGB ab!

Dem OLG München folgen in dieser Rechtsauffassung inzwischen auch das OLG Naumburg (Urteil vom 11.07.2019, 1 U 116/18, IBRRS 2019, 2742), und das OLG Celle (Urteil vom 11.03.2020, 14 U 32/16, IBRRS 2020, 0905)