Nochmals: Fallstricke beim Auftragsentzug nach § 8 Nr. 3 VOB/B

Eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B muss erkennen lassen, auf welchen Grund der Kündigende sie stützt. Nennt er ausdrücklich nur einen bestimmten Grund, ist die Beendigung des Bauvertrags einzig auf diesen einen Grund beschränkt. Der Kündigende kann sonstige Gründe nur bis zum Beginn der Ersatzvornahme nachschieben.
Der Auftraggeber (AG) verlangt vom Auftragnehmer (AN) Schadensersatz unter anderem wegen Mehrkosten für die Ersatzvornahme durch einen Dritten sowie wegen Bauzeitverzögerung. Der AN hatte Fensterbauarbeiten zu erbringen, hierzu zählte auch eine Glasfassade. In der Bauphase stritt man über diverse Mängel. Der AG setzte Fristen zu deren Beseitigung, zur Vorlage einer prüfbaren Statik der Scheiben, für den Nachweis des g-Werts und des Bauzeitenplans und drohte die Kündigung an. Schließlich kündigte er den Bauvertrag fristlos. Der AN konterte mit einer eigenen Kündigung und der Erklärung, weiterhin die vorhandenen Mängel beseitigen zu wollen. Der AG beauftragte Dritte, die die alte Glasfassade beseitigten und eine neue herstellten. Diese Kosten klagt er ein, der AN konterte per Widerklage auf Zahlung von Werklohn für erbrachte und für nicht erbrachte Leistungen.
Das OLG Stuttgart (Urteil vom 03.03.2015, Az. 10 U 62/14, nicht rechtskräftig) weist die Klage des AG überwiegend ab. Für den Anspruch auf Kostenerstattung nach § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B fehlt es an einer wirksamen Kündigung. Auf angebliche Mängel der Fassade komme es nicht an, da der AG den Vertrag nicht gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B wegen dieser Mängel gekündigt habe. Der AG habe nämlich seine Kündigung allein auf den Verzug mit der Erbringung von sonstigen verlangten Leistungen begründet. Die Voraussetzungen hierfür gemäß § 5 Nr. 4 VOB/B lagen aber nicht vor. Weil der AG die Kündigung ausdrücklich auf einen bestimmten Grund gestützt habe, sei die Beendigung des Vertragsverhältnisses hierauf beschränkt. Der AG habe zwar andere Kündigungsgründe (Mängel der Werkleistung) nachschieben dürfen, habe jedoch bis zu der vom AN erklärten zweiten Kündigung und bis zur Ersatzvornahme durch Dritte keine weiteren Kündigungsgründe benannt.

Praxistipp: Die Entscheidung ist nicht verallgemeinerungsfähig, mahnt aber zur Sorgfalt. Die Kündigung eines VOB-Vertrags bedarf gemäß § 8 Abs. 5 VOB/B der Schriftform. Es ist jedoch zweifelhaft, ob der AG die Kündigung begründen mußte, weil aufgrund der vorherigen Mängelrügen, Fristsetzungen und der Kündigungsandrohung der AN von einer fristlosen Kündigung nicht überrascht wird. Entscheidend ist, dass zum Zeitpunkt der Kündigung des AG ein Kündigungsgrund und dessen formale Voraussetzungen vorliegen, denn dann ist der AN genug gewarnt. Vorliegend durfte der AN das Verhalten des AG ausnahmsweise dahin verstehen, dass dieser die Kündigung nur mit der angeblichen Bauzeitverzögerung begründen wollte. Um Zweifeln und Missverständnissen zu entgehen, muß jede Kündigung nach § 8 VOB/B alle denkbaren Kündigungsgründe nennen oder auf sämtliche Schreiben Bezug nehmen, in denen der Kündigende zuvor Fristen, verbunden mit Kündigungsandrohungen, gesetzt hat. Der Fehler des AG bedeutet für ihn doppelte Herstellungskosten- nämlich Vergütung des AN und Ersatzvornahmekosten.