Gewerbemiete und COVID-19-Pandemie: Anforderungen an die Darlegung im Prozess
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nach der Grundsatzentscheidung vom 12. Januar 2022 (XII ZR 8/21) nun zum wiederholten Mal Gelegenheit, seine dort entwickelten Grundsätze zur Frage von Ansprüchen des Mieters wegen behördlich angeordneter Betriebsschließungen oder -einschränkungen anzuwenden.
Diese lauten stichwortartig zusammengefaßt:
Pandemiebedingte Betriebsbeschränkungen oder -schließungen eines Einzelhandelsgeschäfts (vorliegend: Hygienekonzepte, die Abstandsregeln und Sitzplatzreduzierungen beeinhalten) begründen keinen Mangel der Mietsache. Ansprüche wegen Unmöglichkeit stehen dem Mieter ebensowenig zu. Das hat bereits das o.g. Grundsatzurteil des BGH festgestellt.
Regeln hoheitliche Maßnahmen eine Geschäftsschließung, kann der Mieter aber grds. Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage geltend machen.
Allgemeine Ausführungen zur Beeinträchtigung des Mietgebrauchs reichen aber zur Begründung dieses Anspruchs nicht aus. Es ist substantiierter Vortrag dazu erforderlich,
- welche Beeinträchtigungen, die eine unveränderte Mietzahlung für den Mieter unzumutbar machen, konkret durch die behördliche Maßnahme verursacht sind,
- welche zumutbaren Maßnahmen der Mieter ergriffen, um drohende Verluste auszugleichen,
- welche finanziellen Vorteile, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat, dagegen gerechnet sind und ob und in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen, etwa infolge geleisteter Kurzarbeit, erspart hat,
- dass ein Umsatzrückgang tatsächlich auf der pandemie-bedingten Maßnahme beruht und nicht auf einer allgemeinen Zurückhaltung der Kunden während der COVID-19-Pandemie, die in das Verwendungsrisiko des Mieters fällt.
Eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters ist nötig um zu beurteilen, ob die volle Mietzahlung unzumutbar ist. Der Mieter muß vortragen und ggf. beweisen, ob er im Fall von Kurzarbeit Lohnkosten erspart hat. Trägt er vor, gar keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er beweisen, dass er solche Mittel mit Sorgfalt beantragt , anderenfalls wird er prozessual so behandelt, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten.
Den Vermieter hingegen trifft die Beweislast für seine Behauptung, die vom Mieter behaupteten Verluste beruhten auf von der COVID-19-Pandemie (vollständig) unabhängigen Umständen.
BGH, Urteil vom 13.07.2022, XII ZR 75/21.
Praxistipps zur Vertragsgestaltung:
Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Frage, ob eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" möglich ist, ist die vertraglich festgelegte Verteilung des Verwendungsrisikos im "Krisenfall". Pflichten zum Abschluß einer Betriebsausfallversicherung und Regeln, wie der Mieter mit staatlichen Hilfen umgehen muß, können Streit darüber vermeiden, in welchem Umfang Vertragspflichten anzupassen sind. Wir beraten Sie zur rechtssicheren Formulierung solcher Klauseln.