Oberlandesgericht Hamm/ Bundesgerichtshof: Unrichtige Eintragung der Wohnfläche in der Abgeschlossenheitsbescheinigung kann ein wesentlicher Mangel der Eigentumswohnung sein

Die Leitsätze des Oberlandesgerichts:

1.Der Erwerber ist nur dann zur Abnahme verpflichtet, wenn die Leistung des Bauträgers (hier: im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum) vollständig und frei von wesentlichen Mängeln ist (sogenannte „Abnahmereife“)
2.Wird die Wohnfläche einer Eigentumswohnung in der Abgeschlossenheitsbescheinigung, der Teilungserklärung und im Wohnungsgrundbuch falsch eingetragen, liegt ein wesentlicher Rechtsmangel vor.

Urteil des OLG Hamm vom 30.07.2019, Geschäftsnummer 24 U 6/18; Beschluss des BGH vom 25.03.2020, Geschäftsnummer VII ZR 186/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Was war passiert?
Der Bauträger (B) verkauft die noch zu errichtende Wohnung W nebst Balkon an den Erwerber (E). Die Teilungserklärung legt fest: auf die Wohnung entfällt ein Miteigentumsanteil (MEA) von 177,452/1000. Die der Abgeschlossenheitsbescheinigung zu Grunde liegenden Pläne weisen für den zugehörigen Balkon eine Fläche von 40,38 qm aus. Der Balkonumlauf wird tatsächlich aber breiter und mit einer Fläche von nur 29,68 qm erstellt. B und E vereinbaren dafür einen Nachlass von 5.000 Euro und B fordert die Zahlung der Schlussrate unter Abzug dieses Nachlasses, sie soll nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme des Gemeinschaftseigentums fällig werden. E bestreitet die Vereinbarung des Nachlasses. Anschließend verweigert er erstens mit Hinweis auf die Wohnflächendifferenz die Zahlung, zweitens hätten sich die Anteile am Sonder- und Gemeinschaftseigentum verändert, weshalb er eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung (AB) einfordert. Er verweigert die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. B meint, es lägen weder Mängeln vor, noch müsse er die AB inhaltlich korrigieren. Er erklärt nach Fristsetzung den Rücktritt wegen Zahlungsverzugs und verlangt die Rückabwicklung des Vertrags. B scheitert in erster Instanz, weil der Balkonumlauf mangelhaft sei und er den für das Sondereigentum vereinbarten MEA nicht übereignen könne.

Die Entscheidung des OLG Hamm
Der Rücktritt des Bauträgers ist unwirksam, wenn auch aus anderen Gründen, als erstinstanzlich festgestellt: Der Restkaufpreis ist jedenfalls aufgrund fehlender Abnahme nicht fällig. E kann sich wegen des vereinbarten Nachlasses zwar nicht mehr auf einen Sachmangel wegen der Unterschreitung der Wohnfläche berufen und auch ein Rechtsmangel („wegen des breiteren Balkonumlaufs kann der B mir das Sondereigentum teilweise nicht verschaffen“) liegt nicht vor. Die Nachlassvereinbarung ist aber zu Gunsten des E einschränkend auszulegen: eine dauerhafte Unrichtigkeit des Aufteilungsplans wollte E erkennbar ebenso wenig dulden wie einen hierauf beruhenden unrichtigen Verteilerschlüssel: Vereinbaren Parteien einen Nachlass "für die Unterschreitung der Fläche des Balkonumlaufs", wollen sie diese beiden Punkte gerade nicht mit erledigen, so das OLG- eine durchaus diskussionswürdige Auslegung!
Deshalb ist das zu übertragende Eigentum mit einem Rechtsmangel belastet: Die anderen Eigentümer dürfen nämlich aufgrund der unrichtig eingetragenen Flächenanteile von E eine zu hohe Kostenbeteiligung verlangen (im konkreten Fall: < 50 Euro/Jahr!). Dieser Rechtsmangel ist wesentlich. E hat die die Abnahme zu Recht verweigert.