Vergessen Sie, was Sie zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fristsetzung im Kaufrecht gelernt haben!

BGH, Urteil vom 13.07.2016, VIII ZR 49/15

Zum Sachverhalt:
Die Käuferin erwirbt eine Einbauküche für ca. 83.000 Euro incl. Montagekostenanteil von 4.000 Euro. Nach dem Aufbau im Januar rügt ihr Ehemann mündlich mehrere Mängel und verlangt vom Verkäufer "unverzügliche" Beseitigung. Im Februar „bittet“ die Käuferin per E-Mail erneut um die "schnelle Mängelbehebung". Anschließend verleiht sie der Forderung am 11.03. mit schriftlicher Aufforderung zur Mängelbeseitigung bis zum 27.03. Nachdruck. Der Verkäufer verspricht am 24.03. die Beseitigung bis zum 20.04., am 31.03. hat die Käuferin aber genug und tritt vom Vertrag zurück. Sie lässt die Küche nach Durchführung eines Beweisverfahrens und fruchtloser Aufforderung gegenüber dem Verkäufer ausbauen und einlagern. Klagend fordert sie u.a. Ausbaukosten sowie die Kaufpreisrückzahlung.

Die Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt ihr Recht. Er wendet Kaufrecht an aufgrund des geringen Montageanteils. Die gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung bis 27.3. sei nicht unverhältnismäßig kurz gewesen. Denn bereits durch die mündliche und nachfolgende Aufforderung per E-Mail sei dem Fristsetzungserfordernis Genüge getan- obwohl die Klägerin keinen kalendermäßig bestimmbaren Endtermin zur Erledigung genannt und in der zweiten Aufforderung außerdem recht höflich „nur um Abhilfe gebeten habe“. Denn für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. §§323 I, 281 I BGB reiche aus, wenn die Käuferin durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen - hier das Verlangen nach schneller Behebung gerügter Mängel - deutlich mache, dem Schuldner für die Erfüllung nur einen begrenzten (aber jedenfalls bestimmbaren) Zeitraum zuzugestehen. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins hingegen bedürfe es nicht. Damit führt der für das Kaufrecht zuständige Senat seine käuferfreundliche Rechtsprechung fort: Ergibt sich aus den Gesamtumständen, dass der Käufer ernsthaft Nacherfüllung fordert, schadet die höfliche Form einer "Bitte" ebenso wenig wie die fehlende kalendermäßig bestimmte Fristsetzung (so schon BGH, VIII ZR 176/14, Urteil vom 18. März 2015) .

Praxistipp:
Jeder Praktiker hat das eherne Gesetz verinnerlicht: Mängelbeseitigungsaufforderungen müssen das Mangelsymptom nennen… und eine konkrete Nacherfüllungsfrist enthalten: „… nachbessern bis zum XX.XX.2016…“.

Der BGH weicht die Anforderungen an eine Fristsetzung vor der Geltendmachung von kaufvertraglichen Mängelrechten zu Gunsten des Käufers nun aber immer weiter auf. Es bleibt abzuwarten, ob der für das Bau- und Architektenrecht zuständige VII. Senat des BGH sich dem bei Gelegenheit anschließt.

Als Verkäufer/ Werkunternehmer wird man vorsichtshalber künftig laienhaft formulierte, in „Bitte-Form“ gekleidete oder mit Worten wie „sofort“, „schnellstmöglich“, unverzüglich“ o.ä. versehene Mängelbeseitigungsaufforderungen ohne saubere Fristsetzung aber noch weniger als bisher einfach ignorieren dürfen. Extrem sorgfältige Prüfung der eigenen Reaktion und anwaltliche Beratung sind stattdessen angezeigt!