Zur Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel im Bauwerkvertrag

Was war passiert?

Der Auftraggeber (nachfolgend: AG) und der Auftragnehmer (nachfolgend: AN) hatten im von dem AG vorformulierten und im Sinne des § 305 BGB „gestellten“ Bauwerkvertrag vereinbart, dass der AG alle Arbeitsstunden, soweit sie auf Anweisung der Bauleitung verrichtet wurden, zu einem Stundensatz von 42,50 Euro vergütet. Später weigert sich der AG, zu zahlen. Die in solchen Konstellationen üblichen weiteren Streitpunkte spielen hier keine Rolle, denn es existieren lückenlose Tageslohnberichte, die ein Mitarbeiter des AN und der Bauleiter des AG unterschrieben haben, auch die Vollmacht des Bauleiters zur Beauftragung ist unstreitig. Streitig ist allein, ob der Werklohanspruch aus formellen Gründen unbegründet ist, denn der AG wendet ein, die Stundenlohnvereinbarungen verstießen gegen die (doppelte) Schriftformklausel des Bauvertrags (Zitat: "Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Von dieser Schriftformvereinbarung kann nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden."). Die Stundenlohnvereinbarungen seien deshalb nichtig.

Wie entscheidet das Oberlandesgericht Karlsruhe?

Die von dem AG vorformulierte Klausel benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam (Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.06.2018, Geschäftsnummer 8 U 102/16). Die Klausel ist als Allg. Geschäftsbedingung zu qualifizieren, sie unterliegt deshalb der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Sie verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB und ist unwirksam, denn sie ist zu weit gefasst und für den Vertragspartner (den AN) irreführend weil sie den Eindruck erweckt, jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam. Das ist aber nicht der Fall und entspricht nicht der Rechtslage, weil § 305b BGB individuelle Vertragsabreden der Parteien stets Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben! Dieses Prinzip des Vorrangs (mündlicher) individueller Vertragsabreden übertrumpft auch so genannte doppelte Schriftformklauseln wie die vom, AG verwendete.

Unser Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung betrifft angesichts einer Fülle unterschiedlich formulierter Schriftformklauseln einen Einzelfall. Es gibt durchaus auch wirksame Schriftformklauseln. Der Bundesgerichtshof unterscheidet bei der Frage nach der Wirksamkeit danach, wie die konkrete Klausel ausgestaltet ist und welchen Anwendungsbereich sie hat:

Soll die Klausel dazu dienen, eine nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarung der Parteien zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, einer mündliche Abrede komme gar keine Bedeutung zu, ist sie unwirksam. Denn die Vertragsparteien können eine solche Klausel dadurch außer Kraft setzen, dass sie deutlich ihren Willen zum Ausdruck bringen, ihre abweichende mündliche Abrede solle ungeachtet dieser Klausel gelten

Wirksam ist hingegen eine Schriftformklausel, die festlegt, dass Leistungsänderungen oder Abweichungen vom Vertrag nur von der Geschäftsführung "rechtswirksam unterschrieben werden" können und dass Anweisungen der Bauleitung eine solche Unterschrift nicht ersetzen. Wir empfehlen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Reform des BGB- Werkvertragsrechts zum 1.1.2018, Ihre Bauvertragsmuster an die neue Rechtslage anpassen und insbesondere Schriftformklauseln überarbeiten zu lassen.