Zurechnung von Planungs- und Überwachungsfehlern des Architekten, BGH, Beschluss vom 06.04.2016

Der Sachverhalt
In einem Vorprozess zwischen dem Bauherrn (B) und dem Architekten (A) wird festgestellt, dass A als Gesamtschuldner verpflichtet sei, Schadensersatz für eine unzureichende Abdichtung des von ihm geplanten und beaufsichtigten Bauwerks zu leisten. A streitet anschließend mit dem ausführenden Bauunternehmer (U) über einen Gesamtschuldnerausgleich zwischen beiden. Das Landgericht verurteilt U; er sei zu einer hälftigen Kostenübernahme verpflichtet. A müsse sich zwar Planungsfehler zurechnen lassen, denn er habe es pflichtwidrig unterlassen, im Leistungsverzeichnis Angaben zur Ausführung des Gewerks aufzunehmen. U habe jedoch ungeeignetes Material verwendet und es obendrein teilweise zu dünn, teilweise zu dick appliziert. U legt Berufung gegen die hälftige Beteiligung am Schaden ein, weil A sich nicht nur gravierende Planungsfehler, sondern auch eine mangelhafte Bauüberwachung zurechnen lassen müsse.

Die Entscheidung
Das OLG Stuttgart, gegen dessen Berufungsentscheidung der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision mit o.g. Beschluss nicht zulässt, bestätigt das Urteil des Landgerichts:

Ein gravierender Planungsfehler des Architekten liegt nicht vor, weil das geplante Werk (Aufbringen einer kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung, „KMB“) handwerklich mangelfrei ausgeführt werden konnte. Der Mangel ist auf einen deutlichen Verstoß des Bauunternehmers gegen die anerkannten Regeln der Technik zurückzuführen. Der A hat diesen im Rahmen seiner Bauüberwachung zwar nicht erkannt; dennoch trifft den U die zumindest überwiegende Haftung (und im Übrigen regelmäßig sogar die alleinige Haftung). Denn der U kann nicht einwenden, er sei nicht ausreichend überwacht worden- eine solche Überwachung schuldet der Bauherr im Verhältnis zu U schon gar nicht. Ein Überwachungsverschulden zu Lasten des A sei nicht anzurechnen, weil dies im Ergebnis „aus allgemeinen Billigkeitserwägungen heraus“ die an sich klare Aufgabenzuweisung am Bau im Innenverhältnis verschieben. U verhalte sich im Übrigen treuwidrig, wenn er verlange, der andere Gesamtschuldner hätte erkennen und zur Beseitigung bringen müssen, was er, U, selbst falsch gemacht habe (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.11.15, 2 U 56/15; BGH, VII ZR 283/15- Nichtzulassungsbeschwerde verworfen-).

Der Praxistipp:
Ganz allgemein gilt: im Gesamtschuldnerausgleich zwischen dem Architekten und dem bauausführenden Unternehmer ist ein Überwachungsfehler nur in besonderen Ausnahmefällen zu berücksichtigen: Ausnahmsweise kommt eine Mithaftung aus einer verletzten Aufsichtspflicht in Betracht, wenn die besondere Überwachung- namentlich wegen einer besonderen Schadensgeneigtheit der Arbeiten - in ganz besonderem Maße geboten war. Beim Auftrag einer KMB kann man dies eigentlich nicht rundweg ablehnen- daran ist erkennbar, dass der Fall auch anders hätte entschieden werden können!